Chaos Communication Congress (37C3) – Wie geil war das denn?!

Am 29.11. letzten Jahres schrieb mich eine Freundin von mir an und fragte, ob ich Lust hätte, mit ihr zum Chaos Communication Congress in Hamburg zu fahren. Als mich die Nachricht erreichte saß ich gerade in der Bib und bereitete mich auf meine mündliche Prüfung im Sozialrecht vor.

Die Chatnachricht vom 29.11.

Der Ticketverkauf begann ebenfalls am Abend des 29.11. – es war also eine schnelle Entscheidung gefragt… welche mir nicht schwer fiel. Meine Freundin meinte später, sie sei über meine so spontane Zusage schon (freudig) überrascht gewesen. Wir hatten uns mal bei einem Seminar zu Quantum Computing kennengelernt und waren uns einig, unbedingt mal zu einem Chaos Event fahren zu wollen.

Mir war es in zwei aufeinander folgenden Jahren leider nicht gelungen zur Gulasch Programmiernacht nach Karlsruhe zu fahren. Die Gulasch-Programmiernacht ist jedes Jahr nach dem Chaos Communication Congress (C3) die zweitgrößte Veranstaltung des Chaos Computer Clubs (CCC). Bei beiden Veranstaltungen kommen tech-begeisterte Menschen zusammen und haben einige gesellige sowie super lehrreiche Tage zusammen. Man muss definitiv nicht der krasseste Programmierer sein bzw. eigentlich muss man überhaupt nicht programmieren können, um eine tolle Zeit zu haben. Mir ist klar geworden, dass der Hackerspirit letztlich nicht von den technischen Skills sondern von Neugier und Unkonventionalität lebt. Dennoch ist auch mein Hackerherz voll auf seine Kosten gekommen.

Im Rahmen meiner eigenen Projekte bin ich schon häufig auf Aufzeichnungen von Vorträgen im Rahmen der Chaos-Events gestoßen. Abonniert man den YouTube-Kanal media.ccc.de, bekommt man in den Wochen nach diesen Großveranstaltungen immer eine so große Zahl an hochgeladenen Vorträgen in die Abobox gespült, dass man gar nicht mehr hinterherkommt, sie auf die „Später ansehen“-Liste zu setzen. Da die Aufzeichnungen immer nur die RednerInnen zeigen, lässt sich nicht einschätzen, wie groß das Publikum eigentlich ist.1
Ich war auf jeden Fall sehr motiviert, die Stimmung mal selbst wahrzunehmen. Mir fiel die Entscheidung also nicht schwer und ich sagte meiner Freundin zu.

Tickets, Technik… toll!

Technisch stabil gelöste Ticketverkäufe und Kontingentzuweisung sind also wirklich möglich! Das bewies der CCC als Veranstalter wieder und wieder… beginnend beim Ticketverkauf mit gut funktionierender Website über die Organisation des Abbaus angeleitet von super strukturierten freundlichen Engeln2 bis zur Lost+Found Bearbeitung im Nachgang.
Ich musste schon lachen, als ich auf dem C3 ein Plakat sah, welches selbstironisch die chaotische Organisation des Kongress’ entschuldigte. Denn unstrukturiert oder unprofessionell war während der vier Tage wirklich nichts. Dagegen sind Ticketverkäufe von (teuren) Festivals oder die Buchung von Sportkursen beim Hochschulsport ein reiner Saftladen.

Durchgehend fiel mir auf, wie sozial, unvoreingenommen und respektvoll die Menschen miteinander umgingen und der ganze 37C3 gestaltet war. Jede/r soll zum C3 kommen können. So gab es für Menschen, denen das Ticket zum Normalpreis (2023: 175 €) zu teuer war, ermäßigte Friends-Tickets, die man mit einer kurzen anonymen Begründung beantragen konnte. Um das Ticket zu erhalten, genügte eine E-Mail-Adresse und die Eingabe einer Zahlungsart. Der Besuch des C3 verlief generell so datensparsam wie möglich.

Vorträge & Programm – Der Fahrplan

Auf der eigenen Website des 37C3 (https://events.ccc.de/congress/2023/hub/de/index) sind alle Programmpunkte und Vorträge u.a. im Fahrplan aufgelistet. Auch hier zeigt sich wieder, mit wie viel Hingabe die Mitwirkenden die gesamte Infrastruktur gepflegt haben.

Im Vorfeld wurde die BesucherInnen eingeladen, online die für sie interessanten Programmpunkte so anzuordnen, dass sie an möglichst vielen teilnehmen können. Diese individuellen Fahrpläne wurden dann bei der Gesamtplanung berücksichtigt (:mindblown:).
Ich nahm diese Möglichkeit auch war. Mein Problem: Am liebsten wollte ich wirklich jeden Vortrag hören. Es gab so eine enorme Vielzahl an spannenden Themen aus unterschiedlichen Kategorien. Politische, aktivistische, lustige, hoch technische, lange, kurze, interaktive, usw. Vorträge.
Mir blieb während der Veranstaltungstage nur übrig, mich treiben zu lassen und im Augenblick zu entscheiden. Genau das machte ich auch. Mir war es wichtig, auch Vorträge zu besuchen, mit deren (meist komplexen technischen) Themen ich mich noch nie beschäftigt hatte. Ich mag es, vielleicht nur 20% des Vorgetragenen zu verstehen, aber einen enormen Lernzuwachs zu haben und meinen Horizont zu erweitern.

Die aufgezeichneten Streams finden sich alle hier: https://media.ccc.de/c/37c3. Es lohnt sich, zu stöbern.

Ein paar meiner Highlights:

Location, Menschen Atmosphäre – Gestern Medizinerkongress heute Hackertreff

Einer der Hackerspaces mit Assemblies

Barrierefreie kunstvolle Architektur, viel Platz und eine super Lage am Hamburger botanischen Garten „Planten un Blomen“ –  das Congress Center Hamburg (CCH3) war der perfekte Ort für den C3. Dabei handelt es sich um ein supermodernes Tagungszentrum, mit toll aufgeteilten Sälen, die es ermöglichten all die Stände und Hackerspaces sowie Bühnen, Chill Areas und Stickerbörsen unterzubringen. Kurz vor dem C3 fand dort ein Ärztekongress statt. Ich sah vereinzelt noch Schilder, die von der Konferenz übrigen geblieben sein mussten. Und wahrlich, der C3 übertrifft in seinem Umfang und seiner Professionalität jede Großveranstaltung, auf der ich bisher war. Das ist zu einem großen Teil natürlich den VeranstalterInnen und ehrenamtlichen HelferInnen (Engel) zu verdanken. Diese setzen den Rahmen.
Die Atmosphäre selbst entsteht aber durch die tausenden BesucherInnen. Ich habe mich unfassbar wohl gefühlt und glaube, die vier Tage Congress sind für viele Menschen ein großes Jahreshighlight sowie ein Safe Space, in dem sie auf FreundInnen und Gleichgesinnte treffen. Die Stimmung war so erfüllt von Rücksicht, Hilfsbereitschaft und Offenheit, dass ich mich durchgängig wohlfühlte.

Zu dieser so positiven und geborgenen Stimmung trugen verschiedene Faktoren bei, die sich bereits bei der ersten Ticketkontrolle und Bändchenausgabe zeigten.
Zunächst waren die Prozesse perfekt strukturiert, sodass es zügig voran ging und es keine spürbaren räumlichen und menschlichen Engpässe gab. Ferner wurden – soweit ich es mitbekam – alle (!) Aufgaben von Mitgliedern des Veranstalterteams und ehrenamtlichen Engeln übernommen. Diese Leute hatten wirklich Lust drauf, mitzuhelfen und mitzugestalten. Und diese Lust übertrug sich. Es macht einen wesentlichen Unterschied, in der Einlassschlange von einem gut aufgelegten freundlichen Engel gebeten zu werden, weiter vorzurücken, als von einem mürrischen Security Mitarbeiter rumkommandiert zu werden, der seine Sekundenmacht genießt und meint, nur Dienst nach Plan zu machen.
Ich glaube, die Menschen freuten sich schlichtweg so sehr, da zu sein und eine gute Zeit mit anderen freundlichen Menschen zu verbringen, dass gar nicht viel Platz für Negativität war.

Zu dieser so positiven und geborgenen Stimmung trugen verschiedene Faktoren bei, die sich bereits bei der ersten Ticketkontrolle und Bändchenausgabe zeigten.
Zunächst waren die Prozesse perfekt strukturiert, sodass es zügig voran ging und es keine spürbaren räumlichen und menschlichen Engpässe gab. Ferner wurden – soweit ich es mitbekam – alle4 (!) Aufgaben von Mitgliedern des Veranstalterteams und ehrenamtlichen Engeln übernommen. Diese Leute hatten wirklich Lust drauf, mitzuhelfen und mitzugestalten. Und diese Lust übertrug sich. Es macht einen wesentlichen Unterschied, in der Einlassschlange von einem gut aufgelegten freundlichen Engel gebeten zu werden, weiter vorzurücken, als von einem mürrischen Security Mitarbeiter rumkommandiert zu werden, der seine Sekundenmacht genießt und meint, nur Dienst nach Plan zu machen.
Ich glaube, die Menschen freuten sich schlichtweg so sehr, da zu sein und eine gute Zeit mit anderen freundlichen Menschen zu verbringen, dass gar nicht viel Platz für Negativität war.

Was ich einfach wunderbar fand…

Die Stunde und Tage verflogen. Besonders begeistert haben mich die Hackerspaces. Ich bin mir nicht sicher, ob das der offizielle Begriff ist. Ich meine die Hallen, in denen Gruppen wie lokale CCC Vereine, Hochschulgruppen und wer sich sonst anmeldete, eigene Stände (Assemblies) aufbauen konnten. Auch da war der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die Räume waren dunkel. Überall blinkten bunte Lichter und das einzige passende Wort ist: abgespacet. Ich wanderte jeden Tag durch die Gänge und entdeckte immer neue Basteleien und Kunstwerke, die ich mir genau anschaute. Leider kam ich nicht mit so vielen Leuten verschiedener Assemblies ins Gespräch. Ich nehme mir vor, da beim nächsten Mal proaktiver zu sein.

Ein weiteres Highlight war die Chaos Post. Bei ihrem Stand konnten Postkarten (mit lustigen Chaos-Motiven) sowohl lokal an andere KongressteilnehmerInnen5 als auch mit echten Chaos-Briefmarken auf Spendenbasis in die Außenwelt verschickt werden.

Nach all den spannenden aber auch konzentrierten Vorträgen freute ich mich, mich in das Nap Lab im obersten Stock zurückzuziehen und für ein paar Minuten in einer bequemen geschützten Koje die Augen zu schließen – jede Ganztagsveranstaltung sollte sowas anbieten.

Fazit

Ich kann jede/n nur ermuntern, auch mal vorbeizukommen. Weder Geld noch die fehlende Begleitung sollte eine Hürde sein. So bilden sich im Vorfeld oft Fahr- und Schlafgemeinschaften, das Ticket gibt es vergünstigt. Als Engel trägt man zum Gelingen der wunderbaren Veranstaltung bei und lernt dabei viele nette Leute kennen.

Insofern…


  1. Jetzt weiß ich: Es ist riesig! Die Begrüßung und viele Vorträge fanden im komplett vollen Saal 1 mit 3000 Sitzplätzen statt. Zum C3 kamen ca. 15.000 BesucherInnen. ↩︎
  2. Engel sind beim C3 die ehrenamtlichen HelferInnen: https://events.ccc.de/2023/12/06/37c3-call-for-angels/. ↩︎
  3. Chaos Communication Haus würde auch passen :). ↩︎
  4. Einlasskontrolle, Hauselektriker, Saalaufpasser, Moderation, Auf- & Abbaukoordination, usw. ↩︎
  5. Dafür beschrieb man die Empfangsperson und ihren Aufenthaltsort möglichst genau. Dann ging jemand von der Chaos Post los und versuchte die Sendung zuzustellen :D. ↩︎

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